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Nachhaltige Pferdezucht

Von Dr. Erich Messner, Obmann Südtiroler Haflingerpferdezuchtverband

Die Einstellung der Gesellschaft zur Pferdehaltung und Pferdezucht hat sich in den letzten Jahrzehnten wesentlich geändert. Es ist an der Zeit über eine Neuausrichtung im Sinne der Nachhaltigkeit nachzudenken.

Während die bäuerlichen Pferdezüchter über Jahrhunderte für die eigene Nachzucht Elterntiere zur Zucht verwendeten, die den ökologischen und betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten am besten entsprachen, hat ab der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts der Staat die Landespferdezucht bestimmt. Neue Zuchtziele wurden vorgegeben und bald wurde der Markt zum entscheidenden Faktor. Hengste aus aller Herren Länder wurden zur „Verbesserung“ der Landeszucht eingesetzt. Lokale Pferdeschläge wurden so verdrängt. Über Jahrtausende war die genetische Vielfalt der Pferde relativ stabil. Erst durch moderne Zuchtmethoden gingen Eigenschaften, die nachhaltige Pferdezucht über Jahrhunderte geprägt hatten, in relativ kurzer Zeit verloren.

Für nachhaltige Pferdezucht müssen zukünftig Eigenschaften wie Tiergesundheit, Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit in die Zuchtprogramme aufgenommen werden. Die genetische Vielfalt innerhalb der Population gehört wie Fruchtbarkeit und Langlebigkeit ebenfalls dazu. Heute stehen noch relativ wenig Daten zur Verfügung, die für eine derartige Zuchtplanung notwendig wären. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Pferdezuchtorganisationen sind diese Ziele eher zu erreichen. Praxisorientierte Analysen zur Auswirkung des Klimas, des Futters, der Aufzucht- und der Ausbildungsmethoden auf das Pferd werden immer wichtiger werden, wie auch das Tierwohl. Die reine Leistung als Merkmal reicht jedenfalls für die Pferdezucht zukünftig nicht mehr aus. Allen Pferden, unabhängig von ihrem derzeitigen Zuchtwert, muss in der Zuchtplanung Beachtung geschenkt werden. Die Züchter von Morgen erwarten, dass wir schon heute die Würde jedes einzelnen Pferdes respektieren.

Im ökologischen Sinn sind alle Maßnahmen nachhaltig, die die genetische und phänotypische Vielfalt innerhalb der Population fördern und für die kommenden Generationen erhalten. Daher ist es von großer Bedeutung, dass jeder Züchter die Möglichkeit erhält, sein „eigenes“ Zuchtziel zu verwirklichen. Er übernimmt damit Eigenverantwortung im Sinne von Nachhaltigkeit und jeder kann so seinen Beitrag zur Vielfalt leisten. Durch verschiedene Produktionssysteme kann schneller auf die jeweiligen Marktentwicklungen eingegangen werden. Durch lokal angepasste Pferdehaltung wird die Umwelt geschont. Als Weidetier hat das Pferd große ökologische Bedeutung und beeinflusst die Struktur der Landschaft und damit indirekt auch die Artenvielfalt. Pferde nutzen auf extensiven Weideflächen Futterressourcen besser als viele andere Nutztiere. Durch Untersuchungen vor und nach der Alpung/Weidegang könnten Daten gesammelt werden, die sich für nachhaltige Zuchtprogramme nutzen lassen. Solche Daten geben Hinweise auf die Vitalität der Tiere, auf ihre Widerstandfähigkeit gegenüber Klimaveränderungen und auf die Anpassungsfähigkeit unterschiedlicher Futterangebote. Es darf letztlich nicht vergessen werden, dass das Pferd allein durch seine Anwesenheit, durch sein in der Welt sein, einen Beitrag zur biologischen Vielfalt leistet.

Im wirtschaftlichen Sinn sind all jene Maßnahmen nachhaltig, die den Züchter genügend Einkünfte bringen, dass er Zuchttiere halten und neuen Zuchtzeilen anpassen kann. Von Zuchtprogrammen erwartet der Züchter auch einen ökonomischen Vorteil. Nachhaltige Zuchtziele müssen langfristig geplant werden und bringen selten einen unmittelbaren wirtschaftlichen Erfolg. Der Staat hat deshalb, auch im Sinne der EU-Verordnung, die Aufgabe, nachhaltige Erhaltungs- und Zuchtprogramme finanziell zu unterstützen. Mehr-kosten, die durch neuen Zuchtprogrammen entstehen, müssen abgefedert werden, wenn sie erfolgreich sein sollen. Moderne Zuchtprogramme müssen auf lokale Verhältnisse Rücksicht nehmen. Oft können traditionelle Haltungssysteme mehr zur Nachhaltigkeit beitragen, als allgemein angenommen wird. Die Kosten für die Jungpferdeaufzucht sind seit jeher von großer Bedeutung. Diese Kosten können durch die Aufzucht der in jeder Hinsicht „besten“ Tiere deutlich gesenkt werden. Durch gesicherte Daten zum Zuchtwert der einzelnen Tiere und ihrer Widerstandfähigkeit gegen Krankheiten könnte dem Züchter Entscheidungshilfen zur Jungpferdeaufzucht in die Hand gegeben werden.

Im sozialen Sinn ist Nachhaltigkeit von großer Bedeutung. Alle interessierten Züchter sollten bei der Weiterentwicklung von Zuchtzielen und Zuchtmethoden einbezogen werden. Die Pferdezüchter sind die ersten, die neue Entwicklungen in der Gesellschaft zu spüren bekommen. Sie möchten reagieren, bekommen aber von den Verbänden selten eine entsprechende Unterstützung. Zuchtorganisationen sollten diese Herausforderung annehmen und mit den Züchtern über Zuchtarbeit und Tierwohl ins Gespräch kommen. Alle Entwicklungen in der Tierzucht werden zukünftig mit großem Interesse von der breiten Öffentlichkeit verfolgt werden. Pferdeschauen, Leistungsprüfungen und Pferdesport-veranstaltungen müssen zukünftig neben den züchterischen Aufgaben auch gesellschaftliche Erwartungen erfüllen. Im Pferdesport selbst muss einiges überdacht werden. Liebhaber des Pferdes werden auch zukünftig Reiten und Fahren wollen. Es werden andere, die seltene Linien, Typ- und Farbvariationen erhalten wollen, dazukommen. Auch neue, heute noch nicht voraussehbare Aufgaben, werden sich Zuchtorganisationen stellen müssen. Gesellschaftlich ist es von Bedeutung, dass das Pferd Teil der bäuerlichen Kultur bleibt. Durch das gewachsene Verhältnis zur Pferdezucht haben die Bauern das Pferd bis heute erhalten und den wichtigsten Beitrag zur nachhaltigen Pferdezucht geleistet.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Pferdezucht nachhaltig sein wird, wenn es gelingt, die Zuchttiere bestens an ihren Standort anzupassen und die Jungpferdeaufzucht ressourcenschonend zu gestalten. Zuchtziele müssen Kriterien wie Gesundheit, Widerstandsfähigkeit, Fruchtbare und Langlebigkeit mehr Bedeutung beimessen. Auch ökologische Aufgaben, die das Pferd erfüllen kann, werden zukünftig von Bedeutung sein. Solange der Mensch das Pferd als Teil seiner kulturhistorischen Identität sieht ist seine Zukunft gesichert.

Zum Autor

Dr. Erich Messner hat in Wien Veterinärmedizin studiert und anschließend in Deutschland gearbeitet. Später war er als Gemeindetierarzt in Südtirol tätig und ist seit 2015 als Amtstierarzt pensioniert. Als neue Aufgabe hat er die Obmannschaft des Südtiroler Haflingerpferdezuchtverbandes übernommen.

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